Lesenacht – oder aber:
Welches Kind kennt und liebt es nicht: Es ist Schlafenszeit und man darf noch einmal eine halbe Stunde im Bett lesen oder aber man bekommt eine spannende Gute-Nacht-Geschichte vorgelesen. Selbst wenn das Licht eigentlich schon lange aus sein sollte, wird oft noch still und heimlich unter der einen oder anderen Bettdecke weiter gelesen – bis die Wimpern dann eben vor Müdigkeit leise klingen.
Aber eine Lesenacht an der eigenen Schule zu verbringen, ist wahrscheinlich für die meisten Kinder etwas ganz anderes und vor allem etwas Besonderes. Eine solche Nacht wird wohl sehr schnell zu einem unvergesslichen Erlebnis. Gemeinsam mit den Mitschülern und Lehrern die Schule in der Nacht zu erleben, als ein Ort des Schmökerns bis tief in die Nacht hinein, hinterlässt einen bleibenden Eindruck.
Und genau so erlebten es auch die Kinder der Klasse 3a. Ihre Klassenlehrerin dachte sich nämlich: Wenn man schon am Brückentag nach Christi Himmelfahrt mangels eines Beweglichen Ferientages in die Schule gehen muss, dann auch richtig. Kurzerhand wurde daher für diesen Freitag eine Lesenacht angesetzt.
Während sich alle andern Kinder um 11.50 Uhr nach nur einem Tag Unterricht schon wieder ins Wochenende verabschiedeten, hieß es freudig in der 3a: Tschüss, bis heute Abend!
Denn um 18.30 Uhr erstürmten sie bereits wieder voll bepackt zusammen mit ihren Eltern das inzwischen leer geräumte Klassenzimmer. Dort wurden sie bereits von Frau Zeller, Herrn Heitele und ihrer Klassenlehrerin erwartet. Innerhalb kürzester Zeit wurde das Klassenzimmer dann in ein Lese- und Schlafparadies verwandelt. Und dann war es endlich soweit: Die Eltern verließen die Schule und das Abenteuer „Schule bei Nacht“ konnte beginnen. Aber da man in ein solches Abenteuer nicht hungrig aufbrechen sollte, war im Gang bereits von den Eltern ein leckeres Picknick-Buffet aufgebaut worden und auf dem Schulhof loderte ein Lagerfeuer. Auf Grund des regnerischen Wetters gab es zwar ein Indoor-Picknick, doch mit dem frisch aufgebackenen Stockbrot und den vielen Leckereien war dies dennoch ein köstliches Erlebnis.
Zahlreiche Seiten später und nach einigen Spielerunden machten sich die Kinder dann für die anstehende Nachtwanderung bereit. Jedoch nicht allen war es ganz wohl, als es in die dunkle Nacht hinaus ging. Fest wurden die Taschenlampen umklammert und die Nähe der Freundin oder des Freundes gesucht. Und als dann schließlich eine „Mutprobe“ angekündigt wurde, schlotterten von einigen Kindern dann doch ganz unauffällig die Knie. Gefühlte 2 Kilometer später konnten aber alle Nachtschwärmer stolz auf sich sein, ist es doch allen gelungen, ca. 150 Meter alleine im Dunkeln (ohne Taschenlampe!) zu gehen.
Zurück an der Schule, vor Stolz fünf Zentimeter größer, machten sich alle schließlich bettfertig. Wirklich müde war jedoch angeblich noch niemand. Deshalb versammelten sich alle im Schlafanzug zur abschließenden Nachtkinovorstellung im Lehrerzimmer. Nach und nach wurden es aber immer weniger Kinder, die sich den Film anschauten, und dafür immer mehr Kinder, die sich still und heimlich in das Schlafparadies zurückzogen. Und kaum war der Film zu Ende, schon herrschte Stille in der Berta Hummel-Schule und man hörte nur noch das gleichmäßige Atmen von 26 glücklichen Kindern.
Diese Ruhe währte allerdings nicht lange an. Bereits um 6.00 Uhr morgens waren wieder alle wach und mehr oder weniger fit. Bis die Eltern der Kinder schließlich um 8.00 Uhr zum gemeinsamen Frühstück eintrafen, wurde wieder gelesen, gemeinsam gespielt oder aber in der Turnhalle bereits eine Runde Fußball gespielt.
Beim gemeinsamen Frühstück im Lehrerzimmer durften sich die Eltern und Geschwister dann die ersten Berichte ihrer begeisterten Kinder von der vergangenen Lesenacht anhören. Kurze Zeit später, nachdem das Lese- und Schlafparadies wieder in ein normales Klassenzimmer zurück verwandelt worden war und niemand mehr etwas von den nächtlichen Abenteuern ahnen konnte, stand die Berta Hummel-Schule wieder einsam und verlassen da und es hieß für alle: Wochenende!
Fernando Pessoa sagte einmal: „Lesen heißt durch fremde Hand träumen.“
Von was die Kinder der Klasse 3a in dieser Nacht geträumt haben – wer weiß. Sicher ist jedoch, dass sie von diesem Erlebnis noch lange Zeit schwärmen und träumen werden.